WAIS

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Als eine der ersten kommerziellen Suchwerkzeuge gilt WAIS, das im Gegensatz zu Archie nicht an einer akademischen Einrichtung, sondern in einem kommerziellen Unternehmen mit tatsächlichem kommerziellen Projekthintergrund entwickelt wurde. Im Nachhinein hat WAIS trotz seines frühen Aufkaufs durch AOL Maßstäbe gesetzt und gilt als einer der ersten, einfach zu bedienenden Volltextsuchmöglichkeiten im Internet.

Was ist WAIS?

WAIS ist die Abkürzung für Wide Area Information Server und die Bezeichnung für ein elektronisches Recherchesystem, mit dem Datenbestände auf Datenbanksysteme über eine einheitliche Schnittstelle über das Internet durchsucht werden können. Im Gegensatz zu anderen Diensten oder auch zu Archie war WAIS eine kommerzielle Entwicklung.

Ausgesprochen wird der Begriff WAIS in der englischen Sprache genauso wie "Ways" (Wege). Deshalb waren es geflügelte Worte, WAIS als Dienst zu bezeichnen, der "neue Wege" in bestehenden Datenbeständen aufzeigen konnte.

Geschichtliches

Entwickelt wurde WAIS von Brewster Kahle ab 1989 während seiner Anstellung bei einem amerikanischen Unternehmen namens Thinking Machine, einem Hersteller von Parallelcomputern. Im Rahmen seiner Anstellung und auch seinen Interessen an der Künstlichen Intelligenz entwickelte er Suchmaschinen und Indizierungssysteme, mit denen große Datenbestände archiviert und durchsuchbar gehalten werden konnten. Ein frühes Projekt in dieser Art war die Indizierung des Dow Jones News Services, einer Datenbanksammlung von vielen Artikelarchiven mit wirtschaftlichem Hintergrund. Angedacht war, daraus ein kommerzielles Rechercheprojekt zu entwickeln, dass es einem Kunden ermöglicht, für Geld in einem Datenbestand zu recherchieren.

Mit WAIS entwickelte er ein vollständiges Indizierungs- und Volltextsuchsystem, das im April 1991 im Internet veröffentlicht wurde. Ein Jahr später, im Sommer 1992, gründete er mit Bruce Gilliat die WAIS Incorporation im kalifornischen Menlo Park/USA, um auch kommerziellen Interessenten mit Dienstleistungen und Serviceverträgen gerecht zu werden. Der Erfolg gab ihnen Recht: Die Unternehmensgröße verdreifachte sich jedes Jahr, obwohl WAIS ein Produkt war, dass der WWW-Szene, die damals noch in den Kinderschuhen steckte, weit voraus war und es noch keinen richtigen Markt für große Suchmaschinen gab. Dennoch oder gerade deshalb wurde die WAIS Incorporation im Mai 1995 für 15 Millionen von AOL aufgekauft.

Eine besondere geschichtliche Relevanz hatte WAIS in der frühen Geschichte des World Wide Web (siehe hierzu auch Das Phänomen World Wide Web): Um die Akzeptanz des frühen World Wide Web zu steigern, entwickelten die WWW-Protagonisten unter der Leitung von Tim Berners-Lee Schnittstellen zu bestehenden Internet-Diensten, die auf diese Weise bequem über einen Webbrowser bedient werden konnten und nicht mehr die Nutzung eines speziellen Client erforderlich machten. Dazu mussten die Entwickler lediglich ein kleines Programm schreiben, dass die Interaktion zwischen einem WAIS-Server und dem Benutzer über eine WWW-Seite führte.

Im Oktober 1991 wurde ein solches Gateway zu WAIS geschaffen und ermöglichte fortan WAIS-Recherchen über jeden verfügbaren Webbrowser. (Während in vielen Abhandlungen auch nach wie vor geschrieben steht, dass im Zuge der Entwicklung des World Wide Web WAIS darin integriert wurde, so ist damit genau diese Bereitstellung eines Gateways gemeint; selbstverständlich blieben WAIS und das World Wide Web auch weiterhin getrennte Dienste.)

Technisches

WAIS arbeitet in einer Client-Server-Struktur; während der WAIS-Server hauptsächlich mit dem Indizieren der Zielinformationen, dem Aufbau und der Pflege des Index und der Beantwortung der Anfragen beschäftigt ist, übernimmt der WAIS-Client die Interaktion mit dem Benutzer. Damit unterscheidet sich WAIS vom Aufbau her kaum von gängigen Suchmaschinen, die nach dem gleichen Prinzip aufgebaut sind (siehe hierzu auch Host-Architekturen).

Besonders beliebt war WAIS zu Zeiten von Gopher zur Indizierung von Informationen, die auf einem Gopher-Server lagen. Zwar war WAIS nicht direkt in Gopher und im Gopherspace integriert wie Veronica (siehe hierzu auch Veronica), dafür konnte WAIS jedoch mit erheblich schnelleren Suchanfragen kontern.

WAIS existiert auch nach dem Ende der WAIS Incorporation als Softwareprojekt namens freeWAIS-sf, das als Freeware im Internet erhältlich ist und vornehmlich auf Unix-Systemen installiert und eingesetzt werden kann.

Benutzung

Ansicht eines WAIS-Client (winWAIS) unter Windows

Zu Beginn der WAIS-Entwicklung war zur Nutzung von WAIS ein eigener WAIS-Client erforderlich (siehe rechts), der Verbindung mit einem WAIS-Server aufnehmen und die Interaktion mit dem Benutzer übernahm. Diese Vorgehensweise war bei Internet-Dienste in der "Vor-WWW-Ära" üblich, da erst mit dem World Wide Web eine benutzerfreundliche und universell nutzbare Benutzeroberfläche aufkam.

Die Bedienung war hierbei simpel: Nach der Eingabe des Suchbegriffes (der mit Operatoren beliebig mit weiteren Begriffen kombiniert werden konnte) und der Angabe der WAIS-Server, bei dem gesucht werden sollte, konnte per Knopfdruck das Ergebnis abgerufen werden. Die Treffergenauigkeit wurde dabei mit einem Punktewert angegeben und entsprechend sortiert.

Recht bald nach dem Aufkommen des World Wide Web und der Möglichkeit, via HTML eine Benutzeroberfläche zu gestalten und per HTTP mit einem Webserver zu kommunizieren, wurde auch zu WAIS eine Schnittstelle geschaffen, so dass die Bedienung eines WAIS-Server auch ohne einen speziellen WAIS-Client möglich wurde.

Ansicht der Sucheingabe eines WAIS-Server in einem Webbrowser

Ansicht der Sucheingabe eines WAIS-Server
in einem Webbrowser

Ein Webbrowser genügte. Nach Aufruf der Adresse des WAIS-Eingabeformulars wurde ein entsprechendes Suchformular abgerufen. Auffallend ist, dass derartige Suchformulare sich nicht sehr stark von Suchformularen heutiger Suchmaschinen unterscheidet. Auch hier musste lediglich der Suchbegriff eingegeben werden und per Knopfdruck über das Suchformular an eine WAIS-Schnittstelle (das in diesem Fall die Aufgaben des WAIS-Client übernahm) gesendet werden. Diese WAIS-Schnittstelle, das so genannte WAIS-Gateway, sendet ihrerseits die Anfrage  an den WAIS-Server, der die eigentliche Suchabfrage verarbeitet und die Ergebnisse zurück an das WAIS-Gateway sendet, das wiederum die Ausgabe im Webbrowser erzeugt. Am Rande bemerkt: Im Bildschirmfoto ist die Zeile unter der Überschrift "Internet-user-glossary", die unter anderem eine Information über die Kosten ("Cost") und die Kosteneinheit ("Cost unit") enthält; das war eine der Ideen von WAIS, Datenbestände kostenpflichtig bereitzustellen

Ansicht der Suchergebnisse eines WAIS-Server
in einem Webbrowser

Auch bei der Ausgabe der Ergebnisse einer WAIS-Abfrage fällt auf, dass diese erstaunlich den Ergebnissen moderner Suchmaschinen ähnelt. Im Gegensatz zu reinen WAIS-Client, die höchstens die Möglichkeit boten, die angegebenen Dateien in den Suchergebnissen manuell herunterzuladen, bot das World Wide Web die Möglichkeit des Hyperlinking, so dass die Suchergebnisse - sofern im World Wide Web abrufbar, direkt angeklickt werden konnten, um die entsprechenden Dokumente einzusehen.

Diese fast nahtlose Einbettung in die WWW-Technologie machte WAIS besonders für die Anwendung innerhalb eines Intranet, also innerhalb des Netzwerks eines Unternehmens beispielsweise, äußerst interessant, da auf diesem Weg eine einfach zu bedienende Suchmöglichkeit geschaffen wurde, mit der größere, firmeninterne Datenbestände durchsuchbar gehalten werden konnten. Und das völlig unabhängig, über welchen Dienst die Daten letztendlich abgerufen werden konnten, während beispielsweise Archie (siehe hierzu auch Archie) lediglich in Dateinamen und Veronica nur im Gopherspace suchen konnte.

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