Neben der klassischen Internet-Telefonie, die auf offene und herstellerunabhängigen Protokollen wie H.323 und SIP aufbauen, gibt es noch eine Reihe anderer, teilweise proprietärer Anwendungen zur Internet-Telefonie - mit teilweise regelrecht radikalen Ansatzpunkten.
Ein radikal anderer Ansatz - Skype
Skype wurde vom Schweden Niklas Zennström und dem Dänen Janus Friis im Jahre 2003 vorgestellt. Beide haben sich vor allem in der Peer-to-Peer-Szene durch ihre Tauschbörse KaZaA einen Namen gemacht und genau diesen grundlegenden Ansatz haben Zennström und Friis auch in Skype eingebaut und ein eigenes Unternehmen um die Idee gebaut, das im August 2005 vom Online-Auktionshaus eBay für spektakuläre 3,3 Milliarden Euro gekauft wurde.
Die Kommunikation innerhalb des Skype-Netzwerks arbeitet nach dem Peer-to-Peer-Prinzip (siehe hierzu auch Host-Architekturen). Dies bedeutet, dass im Idealfall ein Gespräch zwischen zwei Skype-Anwendern direkt zwischen den beiden Endpunkten im Internet übertragen wird, ohne jegliche dazwischen liegende Vermittlungsstelle. Dazu organisiert sich das Skype-Netzwerk in weitem Umfang selbst und arbeitet sehr stark dezentral. Einzig die Benutzerverwaltung wird zentral auf Skype-Servern abgewickelt, während das aktuelle Benutzerverzeichnis, der so genannte Global Catalog durch ein Netz von so genannten Superknoten laufend gepflegt wird.
Möchte sich nun ein Skype-Benutzer am Skype-Netzwerk anmelden, nimmt sein Skype-Client automatisch Verbindung zu mehreren anderen Skype-Clients auf, deren Existenz er kennt bzw. kannte. Erreicht der Skype-Client auf diese Weise erfolgreich einige bereits verbundene Clients, wird umgehend eine Anmeldung versucht, die mit der Benutzerverwaltung abgeglichen wird. Ist die Anmeldung positiv, wird der Benutzer im Global Catalog verzeichnet. Danach hält der Client mindestens eine Verbindung aufrecht, auf die er Steuerbefehle senden oder empfangen kann. Die erste Prüfung ist der Anruferliste gewidmet, um anzuzeigen, welche Benutzer auf der Anruferliste aktuell im Skype-Netzwerk eingeloggt sind. Soll nun eine Gesprächsverbindung aufgebaut werden, wird zunächst die idealste Konstellation versucht, die Punkt-zu-Punkt-Verbindung. Der anrufende Skype-Client schickt deshalb an die IP-Adresse des anzurufenden Skype-Client einen Anrufwunsch.
Neben kostenlosen Telefongesprächen innerhalb des Skype-Netzwerks gibt es auch die Möglichkeit für Telefongespräche zu Gesprächspartnern in herkömmlichen Telefonnetzen. Dazu gibt es den Skype-Dienst namens SkypeOut, der so eine kostenpflichtige Schnittstelle anbietet. Für den Skype-Benutzer ergibt sich keine Notwendigkeit für Aktualisierungen oder Nachinstallationen, er muss lediglich Guthaben für SkypeOut kaufen und kann wenige Minuten später auch normale Rufnummern in seinem Skype-Client anwählen. Da Skype in vielen Ländern eigene Übergänge in die dortigen Telefonnetze betreibt, sind die Telefonkosten erwartungsgemäß erheblich günstiger, als internationale Telefongespräche über herkömmliche Telefonnetze.
Einer der Stärken von Skype ist die Fähigkeit, sehr schnell und flexibel auf verschiedenste Netzwerkkonfigurationen zu reagieren. Liegt beispielsweise der anzurufende Skype-Client hinter einer Firewall oder einem Router mit einem NAT-Netzwerk (siehe hierzu auch Network Address Translation), wird die Gesprächsverbindung nicht direkt zwischen Anrufer und Anzurufenden aufgebaut (was in so einer Konstellation nicht gehen würde, weil der Anzurufende nicht direkt aus dem Internet erreicht werden kann), sondern beide bauen von sich aus eine Verbindung zu einem Superknoten auf, der dann als Verbindungsrelais fungiert. Da die Datenübertragung verschlüsselt erfolgt, bleibt auch bei der Einbindung eines Superknotens die Vertraulichkeit gewahrt.
Diese hohe Flexibilität, der dezentrale, organische Aufbau des Skype-Netzwerks und die Einfachheit des Skype-Clients haben innerhalb kürzester Zeit dazu geführt, dass Skype sich weltweit etablieren konnte, vor allem bei technisch eher unversierten Menschen. Gleichzeitig ist Skype aber auch ein radikaler Abgesang auf das herkömmliche Telefonnetz und daran angelehnte Voice-over-IP-Anwendungen und gleichzeitig auch der Horror für Regierungen, Behörden und Geheimdienste, da ein Abhören von Gesprächen innerhalb des Skype-Netzwerkes - wenn überhaupt - nur mit sehr großem Aufwand möglich sein dürfte. Beispielhaft ist dieses berühmte Zitat:
"Ich wusste, dass alles vorbei war, als ich Skype herunterlud. Wenn die Erfinder von KaZaA kostenlos ein kleines Programm verteilen, über das Sie mit jedem sprechen können, und das bei hervorragender Qualität und dann auch noch umsonst - das wars. Die Welt wird sich jetzt unaufhaltsam ändern."
Michael Powell, Vorsitzender der US-Bundesbehörde für Kommunikation (FCC)
Andererseits ist Skype auch eine "Black Box" für den Anwender oder einen Netzwerkadministrator. Skype ist eine proprietäre Anwendung, der Quellcode ist nicht frei und kann nicht von unabhängigen Prüfern analysiert werden. Zudem besitzt Skype einige ausgefeilte Mechanismen, um Programmaktivitäten und Einstellungen zu verschleiern. Das muss keinesfalls bedeuten, dass per se destruktive Aktivitäten versteckt werden sollen, dennoch ist eine gewisse Vorsicht angebracht. Netzwerkadministratoren wiederum werden mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass Skype viele Arten zur Netzkommunikation an Bord hat und selbst in gut abgesicherten Netzwerken funktioniert, die nicht speziell Skype-Netzkommunikation filtern. Dies ist vor allem deshalb ein Problem, weil mit Skype auch Dateien übertragen werden können und die eingebaute Datenverschlüsselung solche übertragenen Dateien durch alle zentralen Virenscanner durchgeleitet bekommt.
Dennoch muss Skype zugute gehalten werden, dass es der Internet-Telefonie innerhalb kürzester Zeit einen Boom beschert hat, von der mit H.323 und SIP lange Zeit nur geträumt werden konnte. Nicht zuletzt profitiert aber auch wieder die klassische Internet-Telefonie von diesem Boom.
Google Talk
Im August 2004 konterte auch der Suchmaschinengigant Google mit einer eigenen, kostenlosen Telefonie-Anwendung namens Google Talk. Im Gegensatz zu Skype beschränken sich die Google-Talk-Entwickler auf die notwendigen Kernfunktionen: Es ist nur das Telefonieren und Chatten zwischen Google-Talk-Nutzern im eigenen Netzwerk möglich, es kann also keine Telefonverbindung in das klassische Telefonnetz etabliert werden.
Andererseits baut Google Talk auf bestehende und freie Technologien auf, beispielsweise auf das XMPP-Protokoll, dem Hausprotokoll für den Instant Messenger Jabber. Bietet ein Jabber-fähiger Instant Messenger zusätzlich auch Audio- und Videoübertragung an, funktioniert dies ebenfalls, beispielsweise mit dem iChat-Client des Herstellers Apple. Ein weiterer Vorteil von Google Talk (und vermutlich auch einer der Hauptgründe Googles, überhaupt Google Talk entwickelt zu haben) ist, dass Google Talk in den hauseigenen E-Mail-Dienste Google Mail integriert ist und die dortige Benutzerbasis nutzt.
Ein Nachteil gegenüber Skype ist jedoch die weniger ausgeklügelte Fähigkeiten, andere Übertragungswege zu nutzen, je nachdem, welche Protokollfunktionen durch eine eventuell vorhandene Router- oder explizite Firewall-Restriktion gesperrt sind.
Instant Messenger als neue Plattformen für Voice over IP
Google machte es mit Google Talk vor, andere Betreiber von Instant-Messaging-Plattformen ziehen mit der Integration einer Telefonie-Anwendung nach. Näher betrachtet ist dies auch eine sinnvolle Investition für die Betreiber, denn Telefonieren in Form von Sprachkommunikation ist die logische Weiterentwicklung. Instant Messaging (siehe hierzu auch versteht sich als eine eigene Kommunikationsform, die nicht so ausführlich wie das Schreiben einer E-Mail ist, allerdings auch nicht so kurz wie das Chatten. Da es um schnelle und direkte Kommunikation zwischen zwei Teilnehmern geht, ist das Telefonieren nicht weit. Und da Instant Messaging mit dem Internet das kostengünstige oder kostenlose Übertragungsmedium gleich mitbringen und meist eine große und treue Benutzerbasis bereits vorhanden ist, ist das Instant Messaging inzwischen eine sehr wichtige Plattform für Voice over IP.
In der Tat ist es bereits so, dass die meisten Betreiber von Plattformen zum Instant Messaging die Möglichkeit für Telefonie und auch oft für Videotelefonie - neben dem klassischen Instant Messaging - anbieten. Aber auch hier ist in der Regel ein nicht-restriktiver Internet-Zugang erforderlich, da insbesondere bei etablierten Instant-Messaging-Diensten die Betreiber eine Gratwanderung gehen müssen. Je ausgeklügelter und kompromissloser ein umfangreicher Client eine Verbindung zu seinem Netzwerk aufbauen kann, desto weniger Chancen hat dieser, in restriktiven Netzwerken eingesetzt werden zu dürfen.
Weiterführende Links
http://www.skype.com/intl/de/
Homepage von Skype
http://talk.google.com/
Homepage von Google Talk