Im Mobile Computing gehören Location Services - also Lokalisierungsdienste - inzwischen zu einem festen Bestandteil aller gängigen Smartphones und mobilen Betriebssysteme. Im einfachsten Fall sind das Kartenanwendungen, die anhand von Geopositionsdiensten wie zum Beispiel GPS den genauen Standort anzeigen können. Eine Fortführung der Location Services sind Location Based Services, mit denen Dienste abhängig vom Standardort angeboten werden können und die einen erheblichen Anteil am Lebensstil der so genannten "Digital Natives" haben.
Was sind Location Based Services?
Location Based Services sind eine Zusammenführung von drei Technologieansätzen, die dazu eng miteinander zusammenwirken müssen: Mobilen Computern, die der Benutzer mit sich führen und weitgehend an jedem Standort einfach nutzen kann, mobilen Internet-Zugängen, die ebenfalls weitgehend ortsunabhängig die Internet-Nutzung ermöglichen und Geopositionsdiensten wie das US-amerikanische GPS, das russische GLONASS, das chinesische Compass oder das europäische Galileo, die von mobilen Computern mit entsprechend technischer Ausstattung genutzt werden können.
Mit dem Zusammenspiel dieser drei Technologien wird im Kern die genaue Ermittlung des Standortes im Sinne der genauen Position auf dem Globus möglich. Diese Information wiederum ist die Basis einer Vielzahl von Anwendungen, die entweder zur Wegeführung und -kontrolle dienen (wie zum Beispiel Routenplaner und Navigationslösungen) oder zu standortabhängigen Diensten wie Auskunftssystemen, die Standortinformation dazu nutzen, um interessante Einrichtungen in unmittelbarer Nähe anzuzeigen und zu empfehlen.
Location Based Services werden zwar sehr häufig in mobilen Geräten wie Smartphones und Tablet-Computer (siehe hierzu auch Internet in der Handfläche: Mobile Computing) verbaut, sind aber keineswegs nur auf diese Gerätegattung beschränkt. Zwar haben Smartphones und Tablet-Computer den großen Vorteil, dass sie als mobile Geräte leicht und hinreichend kompakt sind; standortbasierte Anwendungen sind jedoch auch für große und auch immobile Einrichtungen verbreitet. Beispielsweise stellen moderne Diebstahlsicherungsanlagen an Fahrzeugen, die mit Satellitenunterstützung die Position des (gestohlenen) Fahrzeuges melden können, ebenso standortbasierte Dienste dar wie auch Info-Terminals, die an festen Standorten stationiert sind, dort aber Informationen bereitstellen, die sich auf Standorte in unmittelbarer Nähe beziehen.
Geschichtliches zu Location Based Services.
Location Based Services haben ihren Ursprung in militärischen Entwicklungen zu standortbasierten Diensten. Erste funktionierende Entwicklungen basieren auf dem GPS-Vorläufer Transit, das von der US-Marine zwischen 1958 und 1996 betrieben und zum Zwecke der Zielführung von ballistischen Raketen eingesetzt wurde.
Nachfolger von Transit ist das Global Positioning System (GPS), das eigentlich "NAVSTAR GPS" heißt und seit 1995 im Einsatz ist. Es wird ebenfalls vom US-Militär betrieben und war anfangs auch nur von militärischen Einrichtungen sinnvoll nutzbar, da das zivil zugängliche und freie Signal nur Positionsermittlungen bis auf etwa 100 Meter genau ermöglichte. Erst ab dem Jahr 2000 wurde die künstliche Manipulation des zivilen Signals so angepasst, dass Positionen auf etwa 10 Meter genau per GPS ermittelt werden konnten. Ab diesem Zeitpunkt begann der Siegeszug von Anwendungen schlagartig.
Im Mobilfunkbereich gab es die ersten Ansätze für Location Based Services - noch ohne den Einsatz von GPS - Mitte der 1990er Jahre mit der Entwicklung eines Diebstahlsicherungssystem für Fahrzeuge in Kalifornien. Spätere Entwicklungen ergaben sich innerhalb der GSM-Organisation, um entsprechende Lösungen im GSM-Standard (siehe hierzu auch Internet via Mobilfunk) unterzubringen. Eine entsprechende Entwicklungsgruppe innerhalb der GSM-Organisation entwickelte hierzu ein System, das später in einem Protokoll namens "Mobile Location Protocol (MLP) aufging und recht genaue Positionsbestimmungen rein durch das Mobilfunknetz ermöglichte - freilich natürlich nur dort, wo auch ein Mobilfunknetz zur Verfügung stand.
Eine frühe und funktionierende Entwicklung stellte der ehemalige Mobilfunktarif Genion des Mobilfunkanbieters O2 Telefonica dar, der einst im Jahre 1999 vom O2-Deutschland-Vorläufer VIAG Interkom entwickelt wurde. Der Genion-Mobilfunktarif basierte auf die so genannte "Homezone". Die Homezone war ein virtueller Bereich um einen definierbaren Standort, beispielsweise eine genaue Anschrift. Telefonierte man innerhalb dieses Bereiches, so wurden diese Gespräche zum Ortstarif abgerechnet. Der genaue Standort der Homezone erfolgte dabei für jeden Kunden individuell und wurde durch Signale der Mobilfunksender realisiert, die alle eine individuelle Kennung ausstrahlten. Das entsprechend programmierte Mobiltelefon empfing diese Kennungen, decodierte daraus Gauss-Krüger-Koordinaten und ermittelte mit dem einprogrammierten Standort der Homezone, ob sich das Mobiltelefon innerhalb der Homezone befand oder nicht.
Anzumerken ist, dass bei allen frühen Location Based Services der Hauptmerk auf interne Positionsermittlung gerichtet war, beispielsweise eben zum Anbieten von besonders günstigen Home-Tarifen oder als Positionsdienste für Notfälle, um Rettungskräften auch ohne telefonische Angabe einer Anschrift den Zugang zum Einsatzort zu ermöglichen. Mangels Ideen machten sich die meisten Mobilfunkhersteller noch sehr wenige Gedanken darüber, dass Location Based Services schon in wenigen Jahren den neu aufkommenden Markt des Mobile Computings etablieren werden.
Location Based Services in der Navigation
Sehr frühe Navigationslösungen beschränkten sich weitgehend darauf, die genauen Positionsdaten des Standortes zu ermitteln, an dem eine Messung stattfand. Erste zivile GPS-Empfänger waren deshalb auch noch relativ unkomfortabel, weil zur Navigation immer noch eine Landkarte notwendig war. In der Luft- und Schifffahrt war dies kein Problem, für private Einsatzzwecke war GPS jedoch lange Zeit sehr unhandlich und weitgehend auf stationäre Systeme beschränkt, die fest in Fahrzeuge eingebaut werden mussten. Das allein war schon deshalb erforderlich, weil mit zusätzlichen Sensoren Fahrparameter gewonnen werden mussten, um die Positionsdaten des von Hause aus ungenauen GPS-Signals zu verfeinern.
Das änderte sich in den 1990er Jahren mit dem Aufkommen der ersten mobilen Navigationslösungen, zunächst in Autos, später dann auch in Form von Navigationssoftware für Laptops und externen Navigationsgeräten. Dank immer leistungsfähigeren und günstigeren Computern konnten auf diese Weise Geräte mit GPS-Empfängern die genaue Position ermitteln und diese mit als Software vorliegendem Kartenmaterial kombinieren. Das Planen und Abfahren von Routen wurde so möglich und tatsächlich revolutionierte die satellitengestützte Navigation innerhalb weniger Jahre die Automobilwelt.
Ergänzt wurde das Kartenmaterial im Laufe der Zeit mit so genannten Point of Interests (POI), von denen es eine ganze Reihe von offiziellen und inoffiziellen Bibliotheken gab und gibt. So sind POI in Form von Tankstellen und Werkstätten für Navigationslösungen im Auto auch in offiziellen Kartenpaketen heutzutage völlig normal, während schon sehr früh Unternehmen erkannt haben, ein eigenes Filialnetz ebenfalls als POI-Datensatz zu sammeln und zur Verfügung zu stellen. So konnten in Navigationslösungen im Laufe der Zeit auch zusätzlich Restaurants, Fastfood-Ketten, Apotheken und viele andere POI abgerufen werden. Eifrige Datensammler betätigten sich zusätzlich auch mit dem Sammeln von "etwas anderen" POI wie zum Beispiel Radarfallen und erstellten entsprechende Listen, die in Navigationslösungen dann während der Fahrt sozusagen prophylaktisch vor Radarfallen auf der Strecke warnen konnten.
Eines hatten praktisch alle Navigationslösungen lange Zeit nicht - eine Anbindung an das Internet. Das Kartenmaterial entsprach immer einem bestimmten Zeitpunkt und musste - wenn das überhaupt möglich war - aktualisiert werden, meist in Form von relativ teuren Kartenaktualisierungen. Da auch heute noch das Kartenmaterial aller größeren Anbieter durch regelmäßige Streckenabfahrten aktualisiert und ergänzt wird, ist der Preisfaktor nicht zu unterschätzen.
Um das Jahr 2005 herum kamen die ersten Mobiltelefone auf, die mit dem damals neuen Mobilfunkstandard UMTS arbeiten und im Gegensatz zum GSM-Standard erheblich größere Datenmengen übertragen konnten. Das wiederum ermöglichte es den Herstellern von Mobiltelefonen, ihre Geräte mit weiteren Diensten auszustatten, die über das Telefonieren hinausgingen, beispielsweise einem Terminkalender, aber auch einem Webbrowser und einem E-Mail-Client. Die ersten Hersteller, die auch einen für den Nutzer einsetzbaren GPS-Empfänger in ihre Mobiltelefone einbauten, waren Motorola mit dem A1000 und Siemens (beziehungsweise später BenQ-Siemens) mit dem SXG75. Beide Geräte hatten Navigationslösungen an Bord, die bei einer Routenplanung das räumlich erforderliche Kartenmaterial dynamisch bei Bedarf über das Mobilfunknetz aus dem Internet nachluden.
Der Siegeszug von Location Based Services
Mit leistungsfähiger mobiler Hardware und schnellen Mobilfunknetzen waren nun schon zwei Säulen vorhanden, die zum Siegeszug von Location Based Services erforderlich waren. Eine dritte Säule war der Bedarf und die Akzeptanz des Konsumenten; Smartphones mit höherer Rechenleistung, größeren Displays und GPS-Empfängern waren nicht mehr nur für Geschäftsleute und "Nerds" interessant, sondern auch für immer mehr "Normalnutzer", die das Internet immer häufiger für ihre persönliche Kommunikation nutzten und auch immer stärker das Bedürftnis entwickelten, dass dies jederzeit und von überall aus möglich sein sollte. Eine Kernentwicklung war hier die Weiterentwicklung der Nutzung des World Wide Web hin zu einer Neudefinition in die Richtung, dass jeder Konsument im Web auch gleichzeitig Publizist von Information sein kann - die Idee des Web 2.0 fand immer mehr Anhänger. Deren "Veröffentlichungsbewusstsein" endete immer häufiger nicht mehr an den Grenzen der eigenen vier Wände, sondern wurde mit dem Smartphone buchstäblich grenzenlos.
Was jetzt noch als vierte Säule für den endgültigen Durchbruch im Mobile Computing und für Location Based Services fehlte, waren einheitliche und einfache Betriebssysteme für mobile Computer, die Entwicklern die Möglichkeit geben könnten, gleich für eine größere Audienz von Nutzern Applikationen schreiben zu können und dabei einheitliche Schnittstellen zur Hardware zur Verfügung zu haben.
Die Jahre 2007 und 2008 waren in Sachen Mobile Computing enorm wichtige Jahre. Im Sommer 2007 stellte Apple mit dem iPhone ein Smartphone vor, das von Anfang an Standards setzte und das Smartphone so definierte, wie wir es heute kennen. Obwohl das allererste iPhone gar keinen direkten GPS-Empfang bewerkstelligen konnte, konnte es seine Position anhand Funknetzen ungefähr ermitteln. Web-Anwendungen, später dann auch auf dem iPhone installierbare Apps konnten die Möglichkeit der Geopositionierung über Programmierschnittstellen nutzen und die ermittelte Geoposition für eigene Zwecke verwenden.
Ein Jahr später stellte Apple mit dem iPhone 3 den Nachfolger des ersten iPhone vor, das direkte GPS-Empfangsmöglichkeiten an Bord hatte. Im gleichen Jahr stellte Google der Öffentlichkeit sein Betriebssystem namens Android vor, zudem brachte der taiwanesische Smartphone-Hersteller HTC mit dem HTC Dream (das in Deutschland als "T-Mobile G1" vermarktet wurde) das erste Android-Smartphone heraus. Beide Plattformen, sowohl iOS, als auch Android, stellten mit eigenen Entwicklungswerkzeugen und einer eigenen Vermarktungsplattform, die direkt auf den Smartphones installiert war, die Weichen für so genannte Apps, die Entwickler sehr einfach und effizient entwickeln und vermarkten konnten.
Erste Apps, die Location Based Services anboten, ließen dementsprechend auch nicht lange auf sich warten. Ein ganzer Mikrokosmos an sozialen Netzwerken, den so genannten "Geo-social Networks" entstand.
Einordnung von Location Based Services
Alle Anwendungen von Location Based Services lassen sich in fünf Kategorien einsortieren:
- "Wie komme ich da hin, wo ich hinmöchte?" - Geo-Routing
Hier versammeln sich alle Anwendungen, die mit Routenplanung und Navigation zu tun haben. Hauptsächlich sind das Navigationsgeräte und Navigations-Apps für Smartphones, aber auch Kartendienste wie Google Maps oder Open Street Map, die selbst Kartenmaterial bereithalten und Navigationslösungen ermöglichen. - "Was kann ich machen, wo ich bin?" - Geo-Recherche
Dienste, die zu Recherchezwecken vor Ort dienen, sind hier eingeordnet. Das können spezielle Auskunftsdienste zu Lokalitäten und Sehenswürdigkeiten sein (die bereits genannten Points of Interest), die eine Geoposition dazu nutzen, um entsprechende Orte in der direkten Umgebung anzeigen, aber auch Dienste wie beispielsweise die Wikipedia, um für Orte in der unmittelbaren Umgebung entsprechendes Wissen abzurufen und bereitzustellen. Für die Werbeindustrie ist Geo-Recherche sehr lukrativ, da sie auf diese Weise Zielgruppen sehr ortsabhängig bewerben kann - teilweise bis auf Korridore von wenigen Metern, was für Werbung in Innenstädten oder Einkaufszentren sehr interessant sein kann.
- "Was ich mache, wo ich bin." - Geo-Publishing
Das Verfassen von Statusmitteilungen in vielen Social Networks lässt sich ergänzen mit der aktuellen Geoposition und damit bekommen solche Informationen ein weiteres Sortierungs- und Inhaltsmerkmal. Wird zum Beispiel ein Foto mit der aktuellen Position und dem von einem Kompass gelieferten Blickwinkel ergänzt, lässt sich so der genaue Aufnahmeort speichern und veröffentlichen. Möglich werden so Suchen nach Bildern oder Statusmeldungen bei bestimmten Orten oder in der Nähe deren. - "Wo ich bin, möchte ich spielen." - Geo-Entertainment
Die moderne Form der Schnitzeljagd lässt nicht nur Mitspieler finden, sondern auch gänzlich neue Spielkonzepte entstehen, die die reale Welt als Spielfläche nutzen, indem virtuelle Welten darauf abgebildet werden. Ein solches regelrecht globales Spiel ist beispielsweise Ingress von Google, in dem der Nutzer für ein Team eintritt und so genannte "Resonatoren" erobern und halten muss, die wiederum dazu dienen, durch eine virtuelle Verbindung untereinander möglichst viel Fläche abzudecken. Der Standort dieser "Resonatoren" ist zwar an Sehenswürdigkeiten und öffentlichen Standorten verknüpft, geschieht jedoch dennoch völlig virtuell innerhalb des Online-Spiels. Andere Spiele ermöglichen virtuelle Wettbewerbe mit virtuellen Gegenständen, die sich an Orten ablegen und aufheben lassen. Virtuell und auch nur sichtbar für andere Nutzer des Spieles. - "Wo ich bin, soll etwas bestimmtes funktionieren." - Geo-Fencing
Geopositionsdaten können auch dazu genutzt werden, bestimmte Vorgänge proaktiv zu ermöglichen. Einige Smartphones können so konfiguriert werden, dass diese nur innerhalb eines bestimmten Umkreises um einen Standort bestimmte Schnittstellen wie zum Beispiel WLAN aktivieren. Ist das Smartphone außerhalb eines solch definierten Umkreises, kann die WLAN-Funktion standardmäßig ausgeschaltet werden, um so Energie einzusparen. Denkbar sind aber auch Lösungen, in denen das Gerät eines Hausbesitzers automatisch die Gartenbeleuchtung aktiviert, so bald sein Smartphone in den häuslichen Umkreis eintritt und dies der Hausautomationszentrale meldet.
Selbstverständlich lassen sich nicht alle Anwendung alleinig in eine Kategorie einordnen, sondern beinhalten mitunter übergreifende Funktionen. Moderne Routenplaner, die ihren Datenbestand live aus dem Internet abrufen, können oftmals die Navigationsergebnisse mit Points of Interest ergänzen, Geo-Games ermöglichen, das Spieleerlebnis mit Freunden durch aktuelle Statusmeldungen zu teilen und so weiter.
Location Based Services in der täglichen Anwendung
Moderne Smartphones und sehr viele Smartphone-Apps sind inzwischen Location Based Services und benutzen Geopositionsdaten für unterschiedlichste Zwecke und liefern dem Benutzer eine Vielzahl an Mehrwerten aus bisher statischen Recherchesystemen - mit deutlichen Nachwirkungen auf bisherige Anbieter.
So sind gerade Restaurant- und Reiseführer auf Smartphones häufig eingesetzte Anwendungen, weil sie die Suche nach Restaurants und Sehenswürdigkeiten in Sekundenschnelle erledigen - nebst aktuellen Informationen über Öffnungszeiten, den genauen Weg dorthin und Bewertungen von anderen Nutzern. Wenn oftmals davon gesprochen wird, dass das Internet und Mobile Computing die Welt "kleiner machen", sind da in vielen Definitionen vor allem Location Based Services im Spiel und sorgen für die schnelle und unkomplizierte Beschaffung von passenden Ergebnissen.