Um das Internet zu verstehen, ist Grundlagenwissen zu den verschiedenen Netzwerkformen notwendig, ebenso das Verständnis über Vermittlungstechnologien und damit auch den Unterschieden zwischen der Leitungs- und der Paketvermittlung.
Leitungsvermittlung versus Paketvermittlung
In der Telekommunikationswelt wird zwischen zwei grundsätzlichen Philosophien in der Vermittlungstechnik unterschieden - der Leitungsvermittlung und der Paketvermittlung:
Leitungsvermittlung (Line Switching)
Die Leitungsvermittlung kommt aus der klassischen Telefoniewelt und repräsentiert die Kommunikation, wie sie nun seit über 100 Jahren in Telefoniersystemen betrieben wird - dementsprechend weit verbreitet und tief verwurzelt ist sie.
Die Leitungsvermittlung geht von dem Prinzip aus, dass für eine Kommunikation ein exklusiver Nachrichtenkanal vom Absender zum Empfänger geschaltet wird. Dies kann temporär für ein gewähltes Telefongespräch sein, aber auch für eine dauerhafte Standleitung. Um dies zu bewerkstelligen liegt die Vermittlungsarbeit in den so genannten Vermittlungsstellen. Hier ist die Kontrolle für den Datenfluss untergebracht, hier ist gewissermaßen die "Intelligenz" des Netzes.
Für den Nutzer ist die Leitungsvermittlung im Rahmen eines Telefongespräches eine sichere Angelegenheit; mit der erfolgreichen Vermittlung einer Verbindung zwischen zwei Gesprächspartnern ist genau der Nachrichtenkanal aufgebaut, der für eine Kommunikation notwendig ist, nicht mehr und nicht weniger. Für den Betreiber eines solchen Telefonnetzes ist so ein leitungsvermittelndes Netz ebenfalls eine sichere Sache; er rechnet Telefongespräche nach der Menge der Vermittlungen und der Zeit der einzelnen Gespräche ab - mit dem berühmt-berüchtigten Zeittakt und dem Gebührenzähler. Wird eine höhere Bandbreite benötigt, beispielsweise für Datenübertragungen, bleibt nur die Bündelung mehrerer Nachrichtenkanäle, die entsprechend zusätzliche Kosten erzeugen, ebenfalls vermittelt werden müssen und auf Kosten des knappen Gutes von freien Nachrichtenkanälen gehen.
Paketvermittlung (Packet Switching)
Die Idee der Paketvermittlung verfolgt einen anderen Ansatz. Entwickelt wurde die Paketvermittlung zusammen mit dem Konzept des dezentralen Netzwerks (siehe weiter unten) 1964 von Paul Baran, Wissenschaftler bei der Firma RAND Corporation. Baran sollte für die US Air Force eine neuartige Netzwerkstruktur entwickelt, die es besonders robust gegenüber Ausfällen machen sollte.
In der Paketvermittlung wird die zu übertragende Information in einzelne Pakete, den so genannten Datagrammen, aufgeteilt und über ein dezentrales, vermaschtes Netzwerk übertragen. Jedes einzelne Paket trägt neben dem zu übertragenden Informationsfragment, der so genannten Payload, die komplette Absender- und Empfängeradresse, so dass alle Pakete weitgehend autonom im Netzwerk übertragen werden können.
Das Netzwerk selbst enthält keine "großen", zentralen Knoten, sondern gleichberechtigte, kleine Knoten und eine mehr oder weniger starke Vermaschung, um Redundanzen im Netzwerk zu bieten. Durch ein intelligentes Routing-Protokoll (siehe hierzu auch Übertragung im Netz - Routing) kann dann die Datenübertragung so organisiert werden, dass jeder Knoten die bei ihm ankommenden Pakete auf dem kürzesten Weg weitergibt, beim Ausfall der nächsten Strecke aber einen alternativen Weg nehmen kann.
Der größte Vorteil der Paketvermittlung ist in der Tat die hohe Stabilität gegenüber einzelnen Ausfällen des Netzwerks, die theoretisch umso höher ist, je vermaschter das Netzwerk ist. Ein hoher Grad der Vermaschung hat zudem den Vorteil, dass das Netzwerk auch hohe Datenübertragungsspitzen grundsätzlich besser verkraften kann, als ein leitungsvermittelndes Netzwerk mit seinen gebundenen Bandbreiten pro Nachrichtenkanal. Genau dieser Umstand erfordert aber auch ein radikales Umdenken bei der Abrechnung, denn nun sind nicht mehr Vermittlungen, Entfernungen oder Verbindungsdauern die Variablen, sondern die Menge der übertragenen Daten.
Zellvermittlung (Cell Switching)
Die Zellvermittlung (oft auch "Zellenvermittlung" genannt) ist in der Vermittlungstechnik ein weiterentwickelter Spezialfall, die Daten in einem Netzwerk ebenfalls paketweise überträgt, diese jedoch auf im Netzwerk definierten, virtuellen Pfaden. Auf diese Weise entsteht bei jedem Knoten im Netzwerk erheblich weniger Last, da jeder Knoten nicht mehr jedes Paket bezüglich des gewünschten Empfängers analysieren muss, sondern lediglich überprüfen muss, aus welchem virtuellen Pfad ein Paket kommt, um es in diesem virtuellen Pfad weiterzurreichen. So sind auch die einzelnen Pakete erheblich kleiner, weshalb man hier nicht mehr von Paketen, sondern von Zellen spricht.
Die Einfachheit der Zellenvermittlung stellt sich auch bei der Adressierung der virtuellen Kanäle dar, denn dazu gibt es lediglich zwei Parameter: Den Virtual Channel Identifier (VCI) und den Virtual Path Identifier (VPI). Der VCI-Wert kennzeichnet den virtuellen Kanal (maximal 65536), der wiederum zusammen mit anderen virtuellen Kanälen in einem virtuellen Pfad (maximal 255) gebündelt werden können.
Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von virtuellen, logischen Kanälen, nicht von physikalischen. Das heißt, dass eine Verbindung, die beispielsweise einen virtuellen Pfad mit 300 virtuellen Kanälen keine 300 einzelne Drahtverbindungen hat. Vielmehr werden diese virtuellen Pfade durch die VCI/VPI-Kennungen der Zellen gebildet, die allesamt auf dem gleichen, physikalischen Übertragungsmedium übertragen werden. Damit dies in der Praxis überhaupt funktionieren kann, ist es erforderlich, dass die einzelnen Zellen sehr genau zeitlich hintereinander übertragen werden können. Dazu bedient man sich so genannten Multiplex-Verfahren, die diese Zellstrukturen auf das eigentliche Übertragungsmedium abbilden.
Dieser nicht ganz unkomplizierte Sachverhalt und der Unterschied zwischen der Paket- und der Zellenvermittlung lässt sich sehr anschaulich darstellen, wenn wir eine normale Treppe mit breiten Stufen mit einer automatischen Rolltreppe vergleichen. Während die normale Treppe mit breiten Stufen für die unterschiedlichsten Benutzer zugänglich ist, besteht eine automatische Rolltreppe aus vordefinierten Stufen, die ständig in eine Richtung in Bewegung sind. Wenn wir uns die Treppenbenutzer als Pakete vorstellen, sehen wir, dass Benutzer auf einer normalen Treppe erheblich flexibler sind - sie können problemlos (wenn sie es schaffen) mit vier Einkaufstüten die Treppe besteigen und auch jederzeit umkehren - sind sie dies auf einer Rolltreppe nicht. Die Rolltreppe geht immer nur in eine Richtung, sie ist erheblich enger, bietet aber den unschlagbaren Vorteil, dass sich der Benutzer auf der Rolltreppe keine Gedanken mehr um das Treppensteigen machen muss.
Netzwerkstrukturen
Lineares Netzwerk
Ein
lineares Netzwerk (im Bild links sind es zwei eigenständige)
besteht aus mehreren Knoten, die wie in einer Perlenkette
miteinander verbunden sind. Dies ist zwar die Kosten
sparendste Methode, ein Netzwerk aufzubauen, allerdings auch
eine sehr verwundbare: Knoten, die im Inneren des linearen
Netzwerks liegen, müssen mehr Datenverkehr verarbeiten, als
die äußeren und das Netzwerk ist schlagartig unterbrochen,
wenn ein einzelner Knoten oder eine Anbindung innerhalb der
Kette ausfällt. Eine andere Bezeichnung für lineare
Netzwerke ist Busnetzwerke.
Ringförmiges Netzwerk
In
einem ringförmigen Netzwerk sind alle angeschlossenen Knoten
mit zwei anderen verbunden, so dass das Netzwerk eine
ringförmige Struktur bekommt. Der Vorteil gegenüber einem
linearen Netzwerk ist, dass ein ringförmiges Netzwerk den
Ausfall eines Knotens oder einer Anbindung verkraften kann.
Außerdem besteht bei vollständigem Betrieb des Netzwerks mit
einem entsprechend intelligenten Protokoll die Möglichkeit
der Lastverteilung, indem mit entsprechenden Regeln Daten
zwischen nahe liegenden Knoten standardmäßig über die
jeweils kürzeste Strecke übertragen werden.
Sternförmiges Netzwerk
Ein
sternförmiges Netzwerk verbindet alle einzelnen Knoten über
jeweils eine eigene, dedizierte Verbindung mit dem
Zentralknoten. So eine Struktur kann verhältnismäßig schnell
aufgebaut und erweitert werden. Ein sternförmiges Netzwerk
ist auch dann noch stabil, wenn ein Knoten ausfällt - mit
Ausnahme des Zentralknotens. Fällt dieser aus, bricht
schlagartig das gesamte Netzwerk aus. Zudem sind die
einzelnen Knoten gefährdeter, da es in einem klassischen
sternförmigen Netzwerk keine Redundanz gibt, denn es gibt
immer nur die Verbindung zum Zentralknoten.
Hierarchisches Netzwerk
Ein
hierarchisches Netzwerk kann man sich am besten anhand eines
Baumes vorstellen, dessen Äste sich immer weiter verästeln,
deshalb wird bei ausgeprägten hierarchischen Netzwerken auch
oft von einem organischen Aufbau gesprochen. Oft ist
ein hierarchisches Netzwerk eine Weiterentwicklung eines
sternförmigen Netzwerks, bei dem nahe liegende Standorte
untereinander vernetzt werden und damit Fernverbindungen
gemeinsam nutzen können. Dies spart bei größeren Netzwerken
Kosten ein, steigert jedoch wiederum die Verwundbarkeit des
Netzwerks, da der Ausfall einer zentralen Verbindung den
Ausfall kompletter Teiläste bedeuten kann.
Dezentrales Netzwerk
In
einem dezentralen Netzwerk sind die Verbindungen nach keinem
besonderen Schema angeordnet, sondern richtet sich nach
Parametern wie beispielsweise dem Datenaufkommen, Kosten für
einzelne Verbindungen und die Absicherung einzelner Knoten.
Durch diese Vermaschung entstehen komplexe Netzwerke, die
mit intelligenten Übertragungseinstellungen und
Lastverteilungen sehr stabile Datenübertragungen
gewährleisten können, auch bei Ausfall einer oder mehrerer
Verbindungen gleichzeitig. Je stärker der Grad der
Vermaschung ist und je stärker in den
Übertragungseinstellungen des Netzwerks alternative
Datenwege berücksichtigt werden, desto stabiler ist ein
dezentrales Netzwerk gegenüber einzelnen Störungen.
Internet = Viele Netzwerke
Das Internet ist ein großes, weltumspannendes Netzwerk, dass aus vielen einzelnen Netzwerken besteht. Netzwerktechnisch gesehen handelt es sich dabei in der grundsätzlichen Struktur um ein dezentrales Netzwerk, viele Netzwerke im Internet sind aber auch linear, ringförmig, sternförmig oder hierarchisch angelegt.
Beispielsweise werden innerhalb der Netzwerke von großen Leitungsanbietern große Anbindungen und interkontinentale Anbindungen oftmals als lineare Netzwerke organisiert, um sie buchstäblich als "Datenautobahnen" zu definieren. Sie sollen damit das Rückgrat (das so genannte Backbone) des Netzwerkes bilden und dementsprechend auch nur den Datenverkehr tragen, der tatsächlich beispielsweise auf einen anderen Kontinent muss. Ringförmige Netzwerke werden wiederum gern innerhalb eines Landes oder einem Kontinent gebildet, um hier möglichst viel Redundanz zu haben, falls ein Teil der Infrastruktur ausfällt.
Der Vorteil des Internet und des grundlegenden Übertragungsprotokoll TCP/IP liegt in der Eigenschaft, in allen diesen Netzwerkumgebungen gut zu funktionieren und genügend Flexibilität zu besitzen, um zu anderen Netzwerktechnologien kompatibel zu sein (siehe hierzu auch TCP/IP - Haussprache des Internet).